Wittenberg/MZ Diesen Anblick dürfte der Altar der Stadtkirche am Montag erstmalig geboten haben: Eine breite Front von Gongs und Tamtams, dazu Platten-, Röhren- und Stabglockenspiele sowie ein Tisch mit weiterem, teils exotisch anmutendem Percussiongerät. Die Reihe der Requisiten ließe die Schlagzeuger vieler Sinfonieorchester jedenfalls neidvoll erblassen. Ergänzte man das Vorhandene nur mit einigen Pauken und Trommeln, wäre zumindest die Schlagwerkbesetzung eines der Klangmonster neutönender Brachialsinfonik komplett gewesen.
Das Hamburger Ensemble "Neue Horizonte" verfolgt trotz seines opulenten Instrumentariums genau entgegengesetzte Ziele als die Herren Stockhausen & Co. "Musik der Stille" hieß das Motto seines gut anderthalbstündigen Programms, dessen Intention somit eben nicht den Hörer plattwalzende Roßkur, sondern vielmehr eine Offerte war, die Seele aus dem unsteten Rhythmus des Alltags zu lösen und in ein Meer beruhigender Impulse und meditativer Sinnlichkeit zu tauchen.
Daß dieses Angebot erst im Verlauf des Konzertes mehr und mehr angenommen wurde, lag in der Natur der Sache: Das optische Interesse an der in gemessenem Takt erfolgenden Aktion der Künstler mit ihren Arbeitsmitteln war in den gutgefüllten Bänken im Hauptschiff zunächst größer als die Bereitschaft zum Fall in die Welt der Phantasie und der Trance, zu dem die Klänge einluden. |
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Auch die zahlreichen Korrespondenzen der im Angesicht des Publikums wirkenden Ingeborg Sawade und Berthold Paul mit dem gegenüber auf der Orgelempore plazierten Hans-Peter Simmendinger zogen gelegentlich einen Teil der Aufmerksamkeit auf sich. Doch verstärkte nicht zuletzt diese räumliche Konstellation die intensive Wirkung und den Facettenreichtum der Klangschichtungen, die - ausnahmslos von Berthold Paul komponiert - nachhaltig unter dem Kreuzgewölbe kreisten.
Wenn dabei auch mögliche Färbungen des einzelnen Instruments genutzt wurden, vor allem durch die Variation von Schlegeln und Schlagstellen des vielgestaltigen Metalls, spricht das ebenso für die Professionalität der Akteure wie deren Bemühen um klare Tonalität und metrische Strukturen. Daß diese weder für die Naturtonreihungen noch den improvisatorischen Fluß der Stücke zum Korsett gerieten, war nur einer von mehreren aufregend unspektakulären Aspekten des Abends.
Wohldosiert fanden Berthold Pauls Sythesizer bei der Zeitreise zum Urklang ihre Verwendung: Da verhießen erst fein flimmernde, sich aus dem Nichts schälende Register eine akustische Genesis, dann ostinate Quinten den Hauch gregorianischer Gesänge.
Einige atmosphärische Flötentöne Ingeborg Sawades rundeten die Palette der Klänge zwischen filigraner Schwebe, verhaltener Dämonie und nur wenigen momentanen Eruptionen zum beeindruckenden Hörerlebnis, dessen Faszination im Auditorium seine Wirkung nicht verfehlte. |